Kurzabriss zur Geschichte des Kommunalrechts

Im Mittelpunkt des heutigen Kommunalrechts steht die kommunale Selbstverwaltung, die auf einer langen Tradition beruht. Vor allem die Zünfte sind eine Wurzel bürgerschaftlicher Selbstverwaltung. Zünfte bildeten sich seit dem 11. Jahrhundert, verstärkt im 14. Jahrhundert als Zusammenschlüsse der Handwerker. Die Kaufleute schlossen sich zu Gilden zusammen, wobei die begriffliche Unterscheidung von Zunft und Gilde nicht zwingend war. Zünfte und Gilden bildeten zugleich den Kern des städtischen Bürgertums. Die Aufgaben der Zünfte waren vielfältig. Zünfte organisierten kirchliche und gesellige Feiern und prägten damit das kulturell-gesellschaftliche Leben einer Stadt. Sie erfüllten soziale (z.B. Solidarität in Notlagen, Sterbegeld) und öffentliche Aufgaben (z.B. im Rahmen der Stadtverteidigung: einzelne Mauerabschnitte waren bestimmten Zünften zugewiesen). Die Zünfte erreichten in Konfrontation zu den jeweiligen Landesherren vielfach eine Teilhabe an der politischen Macht in den Städten, wurden bisweilen sogar zum bestimmenden Machtfaktor einer Stadt (sog. Zunftrepubliken, z.B. in Zürich von 1336-1798)

Wegweisend für die heutige Stellung der Kommunen ist die Preußische Städteordnung von 1808, die Teil der sog. Stein-Hardenbergschen Reformen zur Modernisierung Preußens während der napoleonischen Kriege war. In der Präambel dieses Gesetzes wurde seinerzeit ausgeführt, dass es die Notwendigkeit einer selbstständigeren Verfassung der Städte sowie ein dringendes Bedürfnis nach einer wirksamen Teilnahme der Bürgerschaft an der Verwaltung
des Gemeinwesens gebe, um „durch diese Theilnahme Gemeinsinn zu erregen und zu erhalten.“ Das ist weiterhin Ziel der kommunalen Selbstverwaltung. Zeitgleich wurde im französisch beeinflussten Teil Deutschlands ein konträres Kommunalmodell praktiziert, und zwar in der Verordnung Nr. 2987 des Großherzogs von Berg aus dem Jahre 1807. Danach befanden sich die Gemeinden „in einem steten Zustand der Minderjährigkeit“ (Art. 48), waren also gerade nicht selbstständig.

Verfassungsrechtliche Anerkennung erhielt die kommunale Selbstverwaltung durch die sog. Paulskirchenverfassung von 1849; ihr § 184 I lautete: „Jede Gemeinde hat als Grundrechte ihrer Verfassung: a) die Wahl ihrer Vorsteher und Vertreter; b) die selbstständige Verwaltung ihrer Gemeindeangelegenheiten mit Einschluß der Ortspolizei, unter gesetzlich geordneter Oberaufsicht des Staates; c) die Veröffentlichung ihres Gemeindehaushaltes; d) Öffentlichkeit der Verhandlungen als Regel.“ Allerdings erlangte die Paulskirchenverfassung keine praktische Wirksamkeit.

Die sog. Bismarck´sche Reichsverfassung von 1871 enthielt keine Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung, wohl aber die Weimarer Reichsverfassung von 1919; siehe Art. 127 WRV: „Gemeinden und Gemeindeverbände haben das Recht der Selbstverwaltung innerhalb der Schranken der Gesetze.“

Ein tiefer Einschnitt in der Geschichte der kommunalen Selbstverwaltung war die Deutsche Gemeindeordnung von 1935 (DGO). Dieses Reichsgesetz (!) gab zwar vor, „im wahren Geiste des Schöpfers gemeindlicher Selbstverwaltung, des Reichsfreiherrn vom Stein“ formuliert zu sein (so die Präambel), höhlte den Gedanken der Selbstverwaltung jedoch völlig aus und ersetzte ihn durch das Führerprinzip: Die Bürgermeister wurden nicht länger gewählt, sondern „durch das Vertrauen von Partei und Staat in ihr Amt berufen“ (§ 6 II 1 DGO). „Zur Sicherung des Einklangs der Gemeindeverwaltung mit der Partei“ erhielt ferner ein Beauftragter der NSDAP Mitwirkungsrechte (§ 6 II 2 DGO). Die Gemeinderäte hatten nur noch die Aufgabe, den Bürgermeister zu beraten und „seinen Maßnahmen in der Bevölkerung Verständnis zu verschaffen“ (§ 48 I 2 DGO).

Trotz dieser nationalsozialistischen Ausrichtung ist die DGO bis in die Gegenwart Vorbild für viele Vorschriften der Gemeindeordnungen der Länder. Dies gilt etwa für die Regelungen zu öffentlichen Einrichtungen (§ 17 DGO), zum Anschluss- und Benutzungszwang (§ 18 DGO) oder für wirtschaftliche Unternehmen (§ 67 DGO). Vor diesem Hintergrund erklärt sich, dass die DGO nach 1945 in den Besatzungszonen und dann in den neu gegründeten Ländern in entnazifizierter Form fort gelten konnte, ehe sie nach und nach durch neue Landesgesetze abgelöst worden ist.